
Was heißt „Vollkorn“ überhaupt?
Ein echtes Vollkornmehl enthält alle drei Kornbestandteile:
Kornteil | Was steckt drin? | Geht bei Weißmehl verloren |
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Kleie (Randschicht) | Ballaststoffe, Mineralien (Mg, Zn, Fe), B-Vitamine, Antioxidantien | Ja |
Keimling | Ungesättigte Fettsäuren, Vitamin E, sekundäre Pflanzenstoffe | Ja |
Endosperm | Stärke, Protein (Gluten) | bleibt erhalten |
Beim Ausmahlen (Type 405 etc.) wird Kleie und Keimling entfernt – übrig bleibt nahezu reiner Stärke-Gluten-Mix.
Nährstoffvergleich auf einen Blick
Nährstoff (pro 100 g Mehl) | Weizen Weißmehl (Type 405) | Weizen Vollkornmehl |
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Ballaststoffe | 3 g | 10 g |
Magnesium | 15 mg | 140 mg |
Zink | 0,6 mg | 3 mg |
Vitamin B1 | 0,06 mg | 0,4 mg |
sekundäre Pflanzenstoffe | kaum | viele (Phenolsäuren, Lignane) |
Quelle: Deutsche Nährwerttabellen (BLS 3.02).
Was bedeutet das für den Körper?
Blutzucker & Sättigung
- Vollkorn hat einen niedrigeren glykämischen Index → langsamere Glukosefreisetzung, weniger Heißhunger.
- Mehr Ballaststoffe = längere Magenverweildauer & bessere Darmmotilität.
Darmflora
- Unlösliche & lösliche Fasern füttern „gute“ Bakterien → Butyratbildung, Stärkung der Darmbarriere.
- Studien zeigen geringeres Risiko für Darmkrebs & entzündliche Darmerkrankungen bei hohem Vollkornkonsum.
Mikronährstoffe
- Magnesium, Zink & B-Vitamine unterstützen Energiestoffwechsel, Immunsystem und Nervenfunktion.
- Antioxidative Phenolsäuren mindern oxidativen Stress.
Einwände & Mythen
Aussage | Faktencheck |
---|---|
„Phytinsäure blockiert Mineralien!“ | Stimmt teilweise. Sauerteig- oder lange Hefeführung reduziert Phytin drastisch – Mineralien werden trotzdem gut aufgenommen. |
„Vollkorn schmeckt trocken!“ | Lange Teigführung + höhere Hydration macht Krume saftig. Roggen- oder Dinkel-Vollkornbrote sind aromatisch und nicht trocken. |
„Mein Bauch verträgt grobe Kleie nicht“ | Bei Reizdarm besser mit fein vermahlenem Vollkorn oder 50 %-Mischbrot starten. |
„Glutenfrei ist noch gesünder“ | Glutenfreie Brote bestehen oft aus Stärke + Zucker, haben weniger Ballaststoffe. Nur bei Diagnose Zöliakie nötig. |
Praxis: Typennummern & Einkauf
Mehltyp | Verwendungsbeispiel | Mineralstoffgehalt* |
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405 (Weiß) | Biskuit, feines Gebäck | 0,4 % |
550 | helle Brötchen, Baguette | 0,55 % |
1050 | Mischbrote | 1,05 % |
Vollkorn | Vollkornbrote, Pizza rustica | 1,8–2,0 % |
*Mineralien in g je 100 g Mehl (entspricht Typenangabe × 10).
Tipp: Je höher die Zahl, desto „vollkörniger“ – Vollkorn hat keine Typennummer, weil es das komplette Korn enthält.
Achtung – „Vollkornbrot“ ist nicht gleich Vollkornbrot
Gerade am Beispiel Pumpernickel sieht man, wie weit Handwerk und Industrie auseinanderliegen.
Echtes westfälisches Pumpernickel besteht aus grob geschrotetem Roggen (100 % Vollkorn), Sauerteig, Wasser, Salz – sonst nichts – und wird 14 – 24 Stunden bei 110–120 °C im Dampf gebacken. Die lange Hitze karamellisiert die natürlichen Roggen- und Fruchtzucker, weshalb keinerlei Farbstoff nötig ist. ChainBakerOur Gabled HomeThe Bread She Bakes
Bei vielen industriellen „Pumpernickel-Scheiben“ im Supermarkt sieht die Zutatenliste anders aus: Roggenmehl statt Roggenschrot, Melasse, Zuckerrübensirup, Karamellfarbe oder Malzextrakt für die dunkle Farbe, Enzyme für kürzere Backzeiten und ein Schnellbackprozess von nur 3–4 Stunden. Bakers AuthorityRich’s USA
Das Ergebnis hat zwar Vollkorn-Label und typische Farbe, liefert aber deutlich weniger Ballaststoffe in intakter Schrotform, kaum Sauerteig-Aromen und enthält oft zusätzliche Zuckerstoffe.
Merke: Steht auf der Packung außer Roggen, Wasser, Salz noch Melasse, Karamell, Malz oder Enzyme – ist es eher „schnelles“ Industrie-Vollkornbrot. Wirklich traditionelles Vollkornbrot erkennt man an grobem Schrot, langer Back- oder Gärzeit und einer betont kurzen Zutatenliste.
So steigst du entspannt auf Vollkorn um
- Mischbrot starten – 50 % Vollkorn, 50 % Auszugsmehl.
- Hydration erhöhen – 10–15 % mehr Wasser, länger quellen lassen.
- Sauerteig nutzen – baut Phytin ab, verbessert Aroma & Haltbarkeit.
- Frisch mahlen – Keimling bleibt aromatisch, Vitamin E oxidiert weniger.
- Langsam kauen – Vollkorn verlangt mehr Kaubewegungen → bessere Sättigung & Verdauung.
Fazit
Vollkorn liefert ein Komplettpaket an Nährstoffen, Ballaststoffen und Aroma, das Weißmehl seit dem Ausmahlen vor über 100 Jahren nicht mehr bieten kann. Wer langsam auf Vollkorn umstellt, Teigführung verlängert und ausreichend Wasser zugibt, bekommt ein Brot, das gut schmeckt, lange satt macht – und dem Bauch echte Vorteile bringt.